Legasthenie – ein Leben lang?

Kurz vor Weihnachten sitze ich mit einer Erkältung bei einem Vertretungsarzt, einem sympathischen Mittfünfziger. Als ich ihm von meinem Beruf erzähle, stutzt er und schaut auf.


Legasthenie? Er sagt, auch er habe Legasthenie.

 

Als Kind hätte er auf eine Sonderschule (der heutigen Förderschule) gehen sollen und das, wie sich später herausstellte, mit einem Intelligenzquotienten von über 140. Wörter wie „dumm“, „armer Junge“ seien zur damaligen Zeit sehr häufig gefallen.

Ein dorniger Weg lag vor ihm.

Medizinstudium trotz Legasthenie?

Er studierte Medizin. Ganz unbewusst lernte er seit jeher visuell, d.h., indem er sich Wörter nach ihrem Schriftbild einprägte. So konnte er Vieles als richtig oder falsch „ersehen“ und dementsprechend korrigieren.
Er erzählt weiter … Bei einer Prüfung hätte er eine Krankheit mit dem hierfür bestimmten Fremdwort beschreiben sollen. Das geschriebene Wort hätte ihm nicht gefallen, es hätte irgendwie falsch ausgesehen. Das Wort wäre auch falsch geschrieben gewesen, wäre aber in seiner Richtigkeit entziffert und somit im Test gewertet worden.


Mit eigenen Bewältigungsstrategien zum Ziel

Dieser Mann ließ sich auf seinem Lebensweg nicht beirren und blieb mit Beharrlichkeit an seinem Ziel, der Medizin. Trotz aller Widrigkeiten fand er zur damaligen Zeit auch Menschen, die ihm zur Seite standen und ihn auf seinem Weg unterstützten. Seine eigene, unbewusste Strategie, Wörter zu visualisieren, hatte er glücklicherweise auch, und so konnte er viele Wörter richtig schreiben.
So ist es heute noch: Die Legasthenie ist geblieben, aber mit der nötigen Aufmerksamkeit und fest eingeübten Strategien schreibt er ganz gerne und liest mit großer Freude.
Als wir uns verabschieden, meint er mit einem Hauch Melancholie in der Stimme: „Wie schade, dass es zur damaligen Zeit Ihren Beruf noch nicht gab. Vieles wäre leichter, klarer, aber auch mit mehr Freude und Hoffnung für mich gewesen.“

Legasthenie wächst sich nicht aus

Legasthenie wächst sich nicht aus. Dies ist leider eine Wunschvorstellung. Eine Legasthenie ist biogenetisch, d.h. vererbt, nicht zu verwechseln mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS), die erworben ist.

Fest steht aber auch, dass jeder legasthene Mensch Lesen und Schreiben erlernen kann.
Was er dazu braucht,
sind richtige Strategien,
hierzu die geeignete Vermittlung,
Mut sei hier nicht zu vergessen,
gepaart mit Zeit und Freude.

Legasthenie, Begabung, Kreativität und Intelligenz

Mein Ziel ist es, Kinder und Erwachsene zu unterstützen und ihnen eine gezielte, individuelle Hilfe bei Legasthenie anzubieten.
Legasthene Menschen sind zumeist sehr intelligent, vielseitig begabt und darüber hinaus überdurchschnittlich kreativ.
Was für wunderbare Voraussetzungen!